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Die Idee

Während meines ersten Ferienlagers - es war ein Ministrantenlager, denn viele wilde Kerle sind zugleich auch brave Altarjungen - hatte ich es mir mit so ziemlich allen Betreuern und Kindern verscherzt. Damals war ich neun Jahre alt und so einsam, dass ich gar nicht mehr darüber nachdachte, wer mich alles nicht leiden konnte. So saß ich missmutig auf dem Balkon des Ferienhauses und sah den anderen beim gemeinsamen Spiel zu. Schließlich bat mich die Mutter eines Betreuers, die als Köchin das Ferienlager begleitete, mit ihr zu spielen. Es war ein Spiel mit Ringen, die man aus großer Entfernung über Stäbe auf dem Boden warf. Ich muss gestehen: Sie war gar nicht schlecht darin. Worin sie aber noch viel besser war, besser als alle Betreuer des Ferienlagers und besser als die meisten Menschen, die mich davor und danach erzogen haben, das war ihre Pädagogik. Vielleicht hatte sie Mitleid mit mir, aber gespielt haben wir, weil es uns beiden Spaß machte. Nach diesem Spiel hätte sie alles von mir verlangen können. Immerhin war sie der einzige Mensch in meiner kleinen Welt, dem die Gemeinschaft mit mir wenigstens für eine Stunde Freude bereitete. Eine Stunde, an die ich mich heute, 26 Jahre später, noch immer erinnere. Und für die ich ihr noch heute dankbar bin.

Die Idee einer neuen Gemeinschaft

Ein Konzept wie die Jägerburg speist sich aus vielen Quellen. Schreibe ich von der „Idee einer neuen Gemeinschaft“, so klingt das vornehm wie aus dem Programm der Pilgerväter bei der Gründung Philadelphias. Neu ist an der Jägerburg jedoch nicht die Verbindung von Pädagogik und Therapie, sondern der Neuanfang für jeden in der Gemeinschaft des Jägerlagers. Zwölf Kinder und fünf Betreuer proben ein Stück Gesellschaft, in der alle eine Geschichte haben, doch niemand verurteilt wird. In einem festen Programm von Anforderungen und Leistungen, Arbeit und Spiel bekennen sich alle zu sieben Tagen unbedingter Gemeinschaft, aus der keiner entlassen wird. Das ist mehr als Freude und Leid zu teilen. Es meint Anstrengung, nicht Unterhaltung. Denn am Ende soll ein Ergebnis stehen: ein Kopf und ein Tagebuch (das „Jägerbuch“) voller Erinnerungen, was ich alles kann! Erinnerungen, welche die Woche überdauern, den Monat und hoffentlich auch das Jahr. Oder 26 Jahre für eine Stunde ehrlicher Anteilnahme am Leben eines anderen Menschen.

Ich habe in den vergangenen Jahren soviel über die Jägerburg im allgemeinen und das Jägerlager im besonderen gesprochen und geschrieben, dass ich mich manchmal frage, ob dies für eine Kurzkur, die nur wenige Wochen im Jahr stattfindet, gerechtfertigt ist. Und dennoch wünsche ich, jeder Mensch, dem ich von unserer Arbeit berichte, möge das Leuchten in meinen Augen sehen. Und nicht nur das Leuchten in meinen Augen, sondern in den Augen aller Beteiligten, Betreuer wie Kinder. Nicht, weil alles nur eitel Freude ist, was dieses Projekt eines neuen Angebotes für Familien mit verhaltensauffälligen Kindern anbelangt. Doch habe ich nun bereits viele Augenblicke während der bisher 25 Jägerlager erlebt, die mich an mein erstes Ferienlager erinnerten. Beispielsweise als Jan-Niclas sich traute, die Waldseilbahn runterzufahren. Als Michi & Michel gemeinsam Essen zauberten. Als Peter mich umarmte und sich dafür bedankte, dass er hier sein durfte. Als Enrico aus Traurigkeit weinte und nicht aus Wut. Ja, es sind Kleinigkeiten, die geschehen sind, aber für einen Augenblick waren sie alle so groß, dass selbst ich manchmal weinte. Weshalb ich fest davon überzeugt bin, dass bei vielen Kindern das Jägerlager „mehr bewirkt als eine 1-jährige Psychotherapie“ (Zitat Mutter von Thomas). Obgleich das Jägerlager sicherlich nicht als Ersatz für eine indizierte Verhaltenstherapie konzipiert wurde.

Was wir im Jägerlager anders machen

Problemfälle - das war für Jahrzehnte der Zugang von Ärzten, Psychologen und Pädagogen zu verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Personen, mehr noch: Persönlichkeiten, die uns in der Praxis vorgestellt wurden. Selbstverständlich als Kinder von Eltern, als Kinder in Familien mit jeweils ganz eigenen Geschichten. Aber auch als „Problem“, als „Störung“, als „Krankheit“.

Auf der einen Seite die „Kunden“, die mehr oder minder leidenden Kinder, engagierte, fordernde und fördernde, bisweilen aber auch überforderte Eltern, Lehrer und Erzieher. Auf der anderen Seite die sogenannten Fachleute, die „Reparaturwerkstatt“ für Verhaltensauffälligkeiten. Dazwischen eine Kluft, die nur überwunden werden konnte, wenn sich die Kinder und Jugendlichen helfen ließen. Viel zu häufig aber war die angebotene Hilfe für die Betroffenen und ihre Familien nicht verständlich. Sie war unattraktiv, anstrengend, stigmatisierend. Und sie machte für die Kinder und Jugendlichen keinen Sinn. Weil sie nur Veränderung versprach, nicht aber Wachstum, Anpassung statt Anerkennung.

Am Anfang der Jägerburg stand daher der Wunsch, es anders zu machen. Ich wollte eine Vernetzung von Personen und Aufgaben. Schule, Jugendhilfe und Therapie bieten ihre Unterstützung meist isoliert für sich an. Nicht selten zu einem Zeitpunkt, zu dem der jeweils andere aufgibt. Die Mehrzahl der Maßnahmen zeigt daher keinen Transfer in das Leben der Familien. Denn Familienbeziehungen verändern sich laufend. Wirksame Hilfe setzt daher voraus, dass Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern sehen und verstehen, was ihnen hilft.

Machen Sie mit!

Ich glaube, dass das Jägerlager besondere Erfahrungen ermöglicht, die in der Folge sowohl Kinder als auch Eltern ihren Schul- und Familienalltag anders erleben lassen. Auf diesen Erfahrungen, die unbedingtes Wohlwollen sowie das konkrete Erleben der eigenen Fähigkeiten bedeuten, baut das Jägerlager auf. Das ist sicher absichtsvolle Pädagogik und Therapie, die sich eigens geschulter Mitarbeiter bedient. Der Erfolg des Jägerlagers basiert jedoch in gleichem Maße auf der Freude, die das ganze Team im Umgang mit den Kindern hat. Ich verspüre dabei auch Dankbarkeit für das Glück, das ich als Kind und Jugendlicher hatte. Das Glück, Menschen getroffen zu haben, die mich nicht nur erziehen und bilden wollten, sondern die mich spüren ließen, dass meine Gegenwart ihnen Spaß machte.

Dr. Johannes Streif